Leo Schmitt: St. Martinskirche
Daten:
Künstler: Schmitt, Leo
Lebensdaten: 1930–2005
Gattung: Architektur
Material: Marmor, Glas
Datierung: 1970
Adresse: Egger Straße 11, 94469 Deggendorf
Im 19. sowie im frühen 20. Jahrhundert entstanden außerhalb des historischen Stadtkerns von Deggendorf zahlreiche Gebäude. Als die Stadt 1877 an die Waldbahn angeschlossen wurde, befand sich der Bahnhof in der Gemeinde Schaching. Deren Eingemeindung im Jahre 1935 brachte eine Vergrößerung der Fläche der Stadt von ca. 4,5 auf 16 Quadratkilometer mit sich und ermöglichte in der Nachkriegszeit folgende Entwicklung: Man nahm – unter anderem wegen des mit dem Kriegsende einsetzenden Anstiegs der Einwohnerzahl – auf der Basis eines Wirtschaftsplans (1949) die systematische Stadterweiterung in Angriff. So entstanden vor allem nördlich und nordwestlich der Altstadt Wohn- und Gewerbegebiete sowie öffentliche Gebäude.
In diesem Zusammenhang ist die Errichtung der Kirche St. Martin zu sehen. Nachdem Stadtpfarrer Dr. Wilhelm Stich das entsprechende Grundstück schon 1937 erworben hatte, begann man 1951 mit dem Bau des Gotteshauses. 1953 wurde die Pfarrei Sankt Martin gegründet, 1954 erfolgte die Weihe der Kirche. Das Patrozinium entspricht dem des St.-Martins-Kirchleins, das sich bis um 1880 im Rathaus befunden hat. 1954 und 1955 wurde die benachbarte St.-Martins-Schule bezogen.
1970 hat man die ursprünglich kahl wirkende Ostfassade der Kirche mit drei Mosaiken versehen. Die Idee stammt vom erster Pfarrer von St. Martin, Msgr. Martin Eder. Für den Entwurf und die Ausführung war Prof. Leo Schmitt (1930 bis 2005; Kunst-Dozent an der Pädagogischen Hochschule Augsburg) verantwortlich. Die Mosaike bestehen aus geschliffenen und gebrochenen Stücken italienischer Marmorsorten sowie Glasfragmenten, die unter anderem aus Neugablonz stammen.
Die Symbolik der zu beiden Seiten des Eingangs befindlichen Flächen erschließt sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick: Links sind die toten Elemente bzw. die Urwelt angedeutet, wobei auf die Ordnung dieser unbelebten Schöpfung durch die Hand Gottes verwiesen wird: Die gut zu erkennende Taube symbolisiert den Heiligen Geist (Gen 1,2: „Gottes Geist schwebte über dem Wasser“). Das rechte Mosaik bezieht sich auf den Moment unmittelbar vor dem eigentlichen Schöpfungsakt: Aus der Höhe zuckt der göttliche Funke, die Elemente geraten in Bewegung. Dem liegend dargestellten Menschen – der Krönung der Schöpfung – wird Leben eingehaucht. Unter ihm ist ein nur schwer auszumachendes Urtier angeordnet, das einem Saurier ähnelt.
Das die Fassade prägende Tondo (Rundbild) hat einen Durchmesser von sieben Metern, d. h. eine Fläche von annähernd 40 qm. Der runde Zuschnitt des Werkes symbolisiert den Kosmos. In einem inneren Kreis im oberen Bereich ist vor dem Kreuz das Lamm zu erkennen, das Christus als Erlöser der Schöpfung symbolisiert. Das links davon befindliche Medaillon zeigt die Mutter Gottes, das rechts angeordnete den Baum des Lebens. Dieser spielt im Alten Testament eine Rolle, da Adam und Eva, nachdem sie von den am Baum der Erkenntnis gewachsenen verbotenen Früchte gegessen haben, der Zugang zum Baum des Lebens verwehrt wird. Im Neuen Testament ist davon die Rede, dass Christus durch seinen Kreuzestod und die Auferstehung das Böse besiegt hat: „Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes steht.“ (Offb 2,7) Darunter sind in quadratischen Feldern die vier Evangelisten zu sehen, die die Menschen mit ihren Botschaften den Weg zu Christus, dem Lamm Gottes, weisen. Die fünf hochformatigen Rechtecke symbolisieren die Kontinente, deren christliche Bewohner zusammen die Kirche beziehungsweise das pilgernde Volk Gottes bilden. Diese Vorstellung ist vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) geprägt. (Florian Jung, Kreisheimatpfleger Deggendorf, und Peter Pritzl)